1
So wie sie auftauchen,
über Nacht oder aus heiterem Himmel,
kann man kaum behaupten,
daß sie geboren werden.
So wie sie unmerklich vergehen,
haben sie keine Ahnung vom Sterben.
Ihrer Vergänglichkeit kann sowieso keiner
das Wasser reichen.Majestätisch einsam und weiß
steigen sie auf vor seidigem Blau,
oder drängeln sich aneinander
wie frierende Tiere, kollektiv
und dumpf, ballen sich tintig
zu elektrischen Katastrophen,
dröhnen, leuchten, ungerührt,
hageln und schütten sich aus.
Dann wieder prahlen sie
mit eitlen Künsten, verfärben sich,
äffen alles, was fest ist, nach.
Ein Spiel ist ihre Geschichte,
unblutig, älter als unsre.
Historiker,
Henker und Ärzte brauchen sie nicht,
kommen aus ohne Häuptlinge, ohne Schlachten.
Ihre hohen Wanderungen
sind ruhig und unaufhaltsam.
Es kümmert sie nichts.
Wahrscheinlich glauben sie
an die Auferstehung,
gedankenlos glücklich wie ich,
der ihnen auf dem Rücken liegend
eine Weile lang zusieht.
2
Gegen Streß, Kummer, Eifersucht, Depression empfiehlt sich die Betrachtung der Wolken.
Mit ihren rotgoldenen Abendrändern
übertreffen sie Patinir und Tiepolo.
Die flüchtigsten aller Meisterwerke,
schwerer zu zählen als jede Rentierherde,
enden in keinem Museum.
Wolkenarchäologie – eine Wissenschaft
für die Engel. Ja, ohne dieWolken
stürbe alles, was lebt. Erfinder sind sie:
Kein Feuer ohne sie, kein elektrisches Licht.
Ja, es empfiehlt sich, bei Müdigkeit, Wut und Verzweiflung,
die Augen
gen Himmel zu wenden.
3
Der blaue Himmel ist blau.
Damit ist alles gesagt
über den blauen Himmel.
Dagegen diese fliegenden Bilderrätsel –
obwohl die Lösung immerfort wechselt,
kann sie ein jeder entziffern.Unfaßbar sind sie in höheren Lagen,
nebulös. Und wie sanft
sie hinsterben!
So schmerzlos ist wenig hier. Die Wolken,
sie haben keine Angst, als wüßten sie,
daß sie immer wieder zur Welt kommen.
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